Viel Bewegung, schwierig für Betriebsräte das Thema wirksam mitzugestalten

Berichterstattung des virtuellen Workshops von CollaboTeam mit IG Metall

Thema: Schon vor der Corona-Pandemie standen Betriebsratsgremien vor einer echten Herausforderung, auf die schnellen Entwicklungen bei der Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattformen angemessen reagieren zu können. Durch die mit dem Lockdown erfolgte plötzliche Verlagerung vieler Arbeiten ins Homeoffice sind nun Fakten geschaffen worden, die schwer rückholbar sind.

Workshop: 9./10. Juni 2020

Diese Veranstaltung wurde im Rahmen des Verbundprojekts CollaboTeam in Zusammenarbeit mit IG Metall durchgeführt.

 

Der virtuelle Workshop bot eine gute Gelegenheit für eine Rückmeldung aus der Betriebsratspraxis zu einigen Ergebnissen des Verbundvorhabens CollaboTeam. Der Austausch zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern machte deutlich, dass in allen Unternehmen virtuelle Kommunikationsformen und kollaborative Anwendungen zunehmend genutzt werden. Diese Nutzung stellt Betriebsrätinnen und Betriebsräte vor große Herausforderungen. Aber es sind durchaus auch erste Betriebsvereinbarungen in Verhandlung oder in Anwendung. Der Corona-Lockdown hat nun zu einem Schub in der Digitalisierung geführt, ohne dass die neue Praxis, von zu Hause aus zu arbeiten, zwischen den Betriebsparteien angemessen geregelt werden konnte. Es sei im Moment unklar wie das nach Corona weitergehen wird.

 

Die Veranstaltung startete mit einem Beitrag von Vanessa Barth, Leiterin des Funktionsbereichs Zielgruppenarbeit und Gleichstellung beim Vorstand der IG Metall. Sie stellte die verschiedenen Dimensionen der Digitalisierungsstrategien von Unternehmen vor. Sie benannte damit aktuelle Entwicklungstrends und verortete das Thema Arbeiten mit und auf Kollaborationsplattformen im größeren Kontext. Für CollaboTeam arbeitete dann Dr. Thomas Hardwig (CollaboTeam) die Bedeutung von Kollaborationsplattformen heraus und beschrieb ihre besonderen Eigenschaften als Werkzeug der betriebsinternen Vernetzung in Abgrenzung zur klassischen Telefon-Email-Kommunikation. Mit ihrem Potenzial zur sozialen Vernetzung, zum strukturierten Wissensaustausch, zur Herstellung von Transparenz und zur Unterstützung selbstgesteuerter Kommunikation, stellen sie die gewachsenen Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit in Unternehmen unter Anpassungsdruck. Aus ihren spezifischen Eigenschaften resultieren sowohl Chancen als auch Risiken.

Wie der Einsatz von Kollaborationsplattformen gestaltet werden kann, beschrieb Dr. Marliese Weißmann (SOFI e.V.). Sie knüpfte an die Risiken und Chancen an und zeigte anhand von sieben Gestaltungsdimensionen mögliche Spielräume für Regelungen auf und benannte Gestaltungsempfehlungen. Wesentliche Botschaft war, dass eine betriebsindividuelle Lösung zwischen verschiedenen Akteuren im Unternehmen ausgehandelt werden muss, da die Nutzung von Kollaborationsplattformen an die Tätigkeitsanforderungen der Beschäftigten angepasst und zur Organisationskultur im Unternehmen passen müsse. Es ist je für die Unternehmen wichtig, eine Balance zwischen Vorgaben und Selbstorganisation in der Gestaltung der einzelnen Dimensionen wie Transparenz oder Autonomie zu finden. Zudem sei aufgrund des schnellen Wandels der arbeitsorganisatorischen Anforderungen und technischen Bedingungen ein offenes, prozesshaftes Vorgehen der Betriebsparteien zu empfehlen. Die Nutzung von Kollaborationsplattformen kann die Kultur der Zusammenarbeit verändern und die Offenheit, Transparenz und Selbstorganisation fördern. Hierauf sollten die Arbeitsgestaltung und die interessenpolitische Regulierung der Nutzung auch reagieren können.

 

Die Empfehlungen wurden dann mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im virtuellen Workshop diskutiert und in Arbeitsgruppen aus der Praxis näher beleuchtet. Ein Ergebnis aus den Arbeitsgruppen ist, dass sowohl das Management als auch die Betriebsratsgremien enorm gefordert sind, das neue Thema angemessen zu gestalten. Zwar ist der Einführungsprozess zumeist durch Mitbestimmung geregelt und die Betriebsräte sind beteiligt. Doch fällt es schwer, die entsprechende Gestaltungskompetenz aufzubauen, mit dem Tempo der technischen Entwicklung mitzuhalten und schließlich die tatsächliche Nutzung auch kontrollieren zu können. In jedem Fall müsse in den Gremien vor Ort die entsprechende Kompetenz zur Regelung des Themas aufgebaut und auch ständig weiterentwickelt werden. Dabei können die Ergebnisse von CollaboTeam Orientierung geben.

Zum Abschluss gab Johannes Katzan einen Ausblick, welche Schlussfolgerungen sich aus den Ergebnissen für die Betriebs- und Tarifpolitik der Gewerkschaften ergeben. Betriebsräten stehen vielfältige Hebel der Mitgestaltung zur Verfügung (Tarifverträge, Antidiskriminierungsgesetz, Datenschutzgrundverordnung, Betriebsverfassungsgesetz), jedoch bringe ihre Nutzung den Betriebsrat oftmals in die Position als „bloße Verhinderer“ zu erscheinen. Betriebs- und Personalräte sollten jedoch vielmehr in die Rolle der (Mit-)Gestalter von Arbeit und Technik im Sinne der Beschäftigten hineinwachsen. Eine wichtige Aufgabe der staatlichen Normsetzung sieht er darin, endlich die Gestaltungsrechte von Interessenvertretungen eindeutig zu formulieren. Was in diesem Sinne hilfreich sei, sei einerseits ein gemeinsam zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und Unternehmen vereinbartes Leitbild für die Nutzung digitaler Medien und andererseits „lebende“ Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Damit ist gemeint, dass Regelungen gefunden werden, die leicht an die schnelle Veränderung von Technik und Arbeit angepasst werden können.

Ein gelungener Auftakt für eine dringend erforderliche Diskussion, denn bald wird sich die Frage stellen, wie wir nach dem unfreiwilligen Experiment mit der Corona-bedingten Homeoffice Praxis die Zusammenarbeit in den Unternehmen auf anderem Niveau organisieren wollen. Kollaborationsplattformen werden dabei eine größere Rolle spielen als vor Corona.

Für weitergehende Information finden Sie hier den Beitrag von Johannes Katzan.

Die nächste Gelegenheit, Ergebnisse des Verbundvorhabens CollaboTeam zu diskutieren wird am 30.06.2020 bei der Abschlussveranstaltung sein, bei der alle Projektpartner ihre Ergebnisse vorstellen werden.