Arbeitszeit und Arbeitsbelastung Hamburger Lehrkräfte 2024


Thema: Die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen hat gemeinsam mit dem Umfragezentrum Bonn (uzbonn GmbH) im 2. Schulhalbjahr 2023/2024 eine umfassende Arbeitszeit- und Belastungsstudie unter Hamburger Lehrkräften durchgeführt. Gefördert wurde das Projekt von der Max-Traeger-Stiftung.
Ziel: Untersuchung der Arbeitssituation von Lehrkräften in Hamburg anhand einer vollständigen Arbeitszeiterfassung des 2. Schulhalbjahres 2023/2024 (inkl. Ferienarbeit) sowie einer Belastungserhebung. Analysiert wurden Arbeitszeiten, Tätigkeitsprofile und Belastungsmerkmale von Hamburger Lehrkräften. Ein zentraler Schwerpunkt lag auf der arbeitszeitpolitischen Bewertung des Hamburger Faktorenmodells und der Frage, ob dessen Zeitfaktoren nach über zwanzig Jahren noch zeitgemäß sind oder angepasst werden müssen.
Teilnehmende Schulformen: Stadtteilschule (StS) und Gymnasium (GY)
Teilnehmende Schulbeschäftigte: Lehrkräfte(alle Lehrkräfte, auch mit Schulleitungsaufgaben im weiteren Sinne) der beiden Schulformen
Aktuelle Projektphase: Das Forschungsprojekt ist abgeschlossen
Veröffentlichung: Der wissenschaftliche Abschlussbericht wurde aim November veröffentlicht. Im Downloadbereich können Sie den Abschlussbericht herunterladen.
Die Ergebnisse der Belastungsumfragen wurden schrittweise als Arbeitspapiere veröffentlicht:
- Stand der Nutzung digitaler Medien an Hamburger Schulen und Erwartungen der Hamburger Lehrkräfte
- Hamburger Erfahrungen mit der Nutzung dienstlicher digitaler Endgeräte in der Schule
- Die Umsetzung des digital unterstützen Lehrens und Lernens in Hamburg ist für Lehrkräfte derzeit mit starkem digitalen Stress und erhöhten Belastungen verbunden
- Digitale Reife und digitale Kluft zwischen weiterführenden Schulen in Hamburg
- Wohlbefinden und Gesundheit Hamburger Lehrkräfte
- Lehrkräfte in der Gratifikationskrise
- Belastungen und Beanspruchungen von Lehrkräften in Hamburg
- Attraktivität des Berufs einer Lehrkraft in Hamburg
- Sonderauswertung: Die Belastungssituation von Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben in Berlin und Hamburg
Die Papiere mit den jeweiligen Thema finden Sie hier.
Am 29. September 2025 fand die Pressekonferenz zur zur Präsentation der Arbeitszeitergnisse in Hamburg statt. Nähere Informationen finden Sie unter https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/pk290925.
Sonderauswertung: Die Belastungssituation von Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben in Berlin und Hamburg wurde in Form eines Arbeitspapieres ausgewertet und wurde am 2. Dezember 2025 auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Nähere Informationen über die Sonderauswertungen finden Sie hier.
Die Arbeitszeit von Lehrkräften ist auch in Hamburg zu hoch
Die Arbeitszeit wurde über das gesamte 2. Schulhalbjahr 2023/24 erfasst. Die Studie liefert einen belastbaren Einblick in das Zeitbudget von Hamburger Lehrkräften des Sekundarbereichs. Grundlage sind Arbeitszeiterfassungen von 735 Lehrkräften sowie Onlinebefragungen von 1.090 Lehrkräften an Stadtteilschulen und Gymnasien.
Im Fokus des Projekts standen zentrale Fragen: Wie ist der aktuelle Stand der Arbeitsbedingungen in Hamburg? Sind die bestehenden Zeitfaktoren des Hamburger Arbeitszeitmodells nach über 20 Jahren noch zeitgemäß oder besteht Reformbedarf? Mit welchen neuen Anforderungen sehen sich Lehrkräfte konfrontiert, und wie können sie ihre Arbeitszeit und Belastung gezielt steuern? Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch digitale Unterrichtsformen?
Begrenzte Effekte durch das abweichende Arbeitszeitmodell
Die Erhebung zeigt: Hamburger Lehrkräfte arbeiten deutlich mehr, als es die tariflich vorgesehene Jahresarbeitszeit vorsieht. Im Schnitt überschreiten Vollzeitkräfte die 1.770 Stunden pro Jahr um rund 75 Stunden. Umgerechnet auf eine tariflich bzw. beamtenrechtlich vorgesehene 40 Stundenwoche entspricht dies einer Arbeitswoche von 41:56 Stunden, also regelmäßig nahezu zwei Stunden Mehrarbeit. Besonders betroffen sind Lehrkräfte mit Leitungsaufgaben, Gymnasiallehrkräfte und Teilzeitkräfte.
Die Studie offenbart, dass die Arbeitsbelastung durch eine Kombination aus Unterricht, Vorbereitung, Korrekturen, schulischen Veranstaltungen, Fortbildungen und neuen Anforderungen wie Digitalisierung sowie gestiegene Dokumentationspflichten geprägt ist. Viele Lehrkräfte berichten von wiederkehrenden Spitzenbelastungen, verlängerten Arbeitszeiten abends und am Wochenende und einer zunehmenden mentalen Beanspruchung.
Das seit 2003 bestehende Hamburger Faktorenmodell zur Arbeitszeitregelung bringt nur begrenzte Entlastung: Zwar profitieren Teilzeitkräfte etwas, die Gesamtbelastung bleibt hoch, und strukturelle Unterschiede zu anderen Bundesländern sind nur gering. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Engagement allein nicht ausreicht – die hohe Arbeitszeit wirkt sich negativ auf die Attraktivität des Berufs aus und kann langfristig die Qualität der Bildung beeinträchtigen.Die Studie liefert damit fundierte Grundlagen für die Diskussion über eine realitätsnahe und faire Steuerung der Arbeitszeit, Entlastungsmaßnahmen und eine zukunftsorientierte Gestaltung der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte in Hamburg. Die Ergebnisse decken sich mit den Befunden früherer Studien.
Gestaltung statt Dauerbelastung: Arbeitspolitische Empfehlungen
Aus arbeitspolitischer Sicht braucht es eine entschlossene Neuausrichtung:
1. Verbindliche Arbeitszeiterfassung
Lehrkräfte arbeiten laut Studie durchschnittlich 48–50 Stunden pro Woche, deutlich über der offiziellen Regelarbeitszeit. Eine verbindliche Erfassung schafft Transparenz und legt die Grundlage für Reformen, indem Regelungslücken in der Arbeitszeitplanung geschlossen werden.
Die Arbeitszeiterfassung hat bestätigt, was ich schon angenommen hatte: Die Arbeitszeitfaktoren sind für die meisten Tätigkeiten viel zu niedrig angesetzt. Ich arbeite meist schnell und effizient und habe trotzdem in jeder Schulwoche zu viel gearbeitet, ebenso in den Schulferien. (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer GY-Lehrkraft)
2. Optimierung der Hamburger LehrArbzVO
Die größten Abweichungen der Arbeitszeit treten bei Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie bei Prüfungen auf. Bevor systematische Änderungen erfolgen, sollten zunächst die Daten aus der Arbeitszeiterfassung genutzt werden, um wirksame Anpassungen zu identifizieren.
Mir ist vor allem bewusst geworden, wie hoch der Zeitanteil ist, den ich für die Unterrichtsvor- und nachbereitung benötige. Dies ist wesentlich mehr als ich vermutet habe und ist durch die WAZ nicht abgebildet und es handelt sich dabei lediglich um „normale“ Unterrichtsvorbereitung und nicht um besondere Unterrichtsprojekte. Meinem Gefühl nach benötige ich mindestens wieder so viel Zeit für die Unterrichtsvorbereitung wie als Berufsanfänger, weil sich durch Inklusion, zusätzliche Maßnahmen für Kinder, die aus IVK-Klassen in die Regelklassen wechseln, sowie durch die Digitalisierung von Unterricht und neue (rückschrittige) Rahmenpläne ein so starker Mehraufwand ergibt, ohne dabei aber zu besserem Unterricht zu kommen (eher im Gegenteil). Dies empfinde ich als sehr frustrierend (...). (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer GY-Lehrkraft)
3. Mehr Ressourcen und Rahmenbedingungen
Lehrkräfte berichten von zu großen Klassen und hoher Dokumentationslast. Temporäre Unterstützung, zusätzliche Fachkräfte und Entlastung durch Quer- und Seiteneinsteiger sind dringend erforderlich, um Unterrichtsqualität und Berufszufriedenheit zu sichern.
Es ist ein toller Beruf, aber ohne multiprofessionelle Teams an den Schulen und deutlich mehr Zeitressourcen ist die Arbeit nicht mehr zu schaffen. (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer GY-Lehrkraft)
4. Stärkung der Belastungsregulation
Über 70 % der Lehrkräfte geben an, dass Stressmanagementmaßnahmen fehlen. Gezielte Strategien zur psychischen Entlastung sowie der Erhalt von Teilzeitmöglichkeiten sind entscheidend, um Krankenstände und vorzeitiges Ausscheiden zu vermeiden.
Ich arbeite seit Jahren in Teilzeit. Sicherlich hätte ich diese Umfrage anders beantwortet, wäre ich gezwungen, Vollzeit zu arbeiten. Durch die reduzierte Arbeitszeit habe ich die Möglichkeit, Erholungsphasen umzubauen, die ich bei 100% nicht hätte. Das geht vielen meiner KuK so und sollte m.E. Anlass zur Sorge geben, was die Gesundheitsgefährdenden Belastungen unserer Arbeit angeht. (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer GY-Lehrkraft)
5. Soziotechnische Gestaltung der Digitalisierung
Nur 5% der Lehrkräfte zeigen Desinteresse am digitalen Lehren. Hemmnisse liegen vor allem in der Umsetzung und fehlender Unterstützung durch Verwaltung und Schulträger. Partizipative Schulentwicklungsprozesse, ausreichende Ressourcen und zeitliche Freiräume sind nötig, um digitale Bildungsziele erfolgreich zu realisieren.
Digitalisierung: Ich würde sehr gerne verstärkt digital arbeiten, allerdings mangelt es sehr stark an der Ausstattung der Schüler:innen in den Klassen 5-10. Dort ist digitales Arbeiten kaum möglich, da viele Schüler:innen nicht über geeignete digitale Endgeräte verfügen und auch die Schule nicht dementsprechend ausgestattet ist. (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer StS-Lehrkraft)
6. Attraktivitätssteigerung
Weniger als die Hälfte der Lehrkräfte würde den Beruf erneut ergreifen; nur 20% empfehlen ihn weiter. Arbeitsverdichtung, schlechte Arbeitsbedingungen und gesundheitliche Risiken sind Hauptgründe. Verbesserte Rahmenbedingungen, Entlastungsmaßnahmen und zusätzliche Fachkräfte erhöhen die Attraktivität des Berufs.
Der Fragebogen wurde in der 2. Ferienwoche ausgefüllt - daher geht es mir gerade ganz gut :) Ich liebte den Beruf sehr, es ist lediglich die unfassbare Mehrarbeit in der Organisation, Digitalisierung und v.a. Dokumentation (!) /Bürokratie, die mich in die Knie zwingt und wirklich sehr oft über einen Berufswechsel nachdenken lässt. Unterricht tritt als Tätigkeit immer weiter in den Hintergund und macht in meinem Fall gefühlt noch ca 1/4 meiner Arbeitszeit aus. (Abschlussbemerkung des Fragebogens einer StS-Lehrkraft)
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