Vorwort

Wer sich heutzutage kritisch mit der Frage der Entwicklung der Arbeitsbedingungen auseinandersetzt, der wird in Diskussionen immer schnell mit dem Argument konfrontiert, dass die Arbeitsbedingungen aktuell doch viel besser seien, als in der Zeit der Industrialisierung oder auch noch Mitte des letzten Jahrhunderts. Dieses Argument ist zweifellos richtig. Falsch ist es aber, darin einen Automatismus zu sehen, also eine lineare Entwicklung, die noch dazu unbesehen in die Zukunft fortgeschrieben werden könnte. Ein schöner Beleg für die letztgenannte Aussage ist die jüngst von der Bundesregierung (die einer gewerkschaftsnahen Perspektive sicherlich unverdächtig ist) für Deutschland getroffene Feststellung: „Die körperlichen Anforderungen haben sich seit Mitte der 80er Jahre kaum verändert … Eine deutliche Zunahme findet sich dagegen bei den psychischen Anforderungen“ (Deutscher Bundestag 2010, S. 77).

Es ist von daher folgerichtig, dass sich z. B. der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (2007, EWSA / EESC) für eine systematische Dauerbeobachtung der Arbeitsbedingungen in den Ländern der EU ausspricht und dass in den einzelnen Ländern eine Reihe von Initiativen in dieser Richtung zu beobachten sind. In den EU-Ländern steigt aktuell die Anzahl entsprechender repräsentativer Erhebungen über Arbeitsbedingungen merklich, nicht zuletzt mit der Absicht, Entwicklungen über die Zeit nachzeichnen zu können (European Parliament 2009). In einigen Ländern geschieht dies bereits mittels einer systematischen Indikatorik, die die Bildung eines Index der Arbeitsqualität erlaubt: Österreich hat hier mit dem Arbeitsklima-Index eine Vorreiterrolle, der DGB-Index Gute Arbeit in Deutschland ist ein weiteres Beispiel. Auch seitens international tätiger Akteure ist eine Intensivierung der Bemühungen um eine vergleichbare Beobachtung von Arbeitsbedingungen zu konstatieren.

Der vorliegende Sonderband der Zeitschrift WISO enthält eine Reihe von Aufsätzen, die verschiedene dieser Aktivitäten beschreiben und auch spannende Einzelbefunde präsentieren. Hintergrund der Publikation ist die Beteiligung der Herausgeber und Autorinnen und Autoren an einem europäischen Kooperationsprojekt „Integration-Sicherheit-Innovation (INSITO)“, das von der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben und den niedersächsischen Kooperationsstellen Hochschulen und Gewerkschaften mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission (GD Beschäftigung) durchgeführt wurde. Die Beiträge beruhen auf Vorträgen und Diskussionen der Autorinnen und Autoren auf zwei Expertenworkshops 2010 in Wien und Brüssel. Einige Übersichtssaufsätze zu diesem Teilprojekt des INSITO-Vorhabens wurden bereits in einem Endbericht veröffentlicht (vgl. Beiträge in Busch u. a. 2011). Auch aus zwei Vorläufer-Projekten liegen einige Berichte zum Thema vor (vgl. Schlatermund, Flore 2009; Kistler, Mußmann 2009 und Preinfalk 2009), die nun erweitert werden konnten.

Es ist dem Anliegen einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu wünschen, dass die in diesem Heft vorgestellten Aufsätze mit dazu beitragen, die notwendigen Aktivitäten in Berichterstattung, Analytik und Arbeitspolitik national und international weiter voranzutreiben. – Gute Arbeit ist laut Ottawa-Charta der WHO schließlich ein Menschenrecht!