Die Belastungssituation von Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben in Berlin und Hamburg

Thema: Sonderauswertung zur Belastungssituation von Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben aus den Forschungen Arbeitszeit und Arbeitsbelastung in Berlin und Hamburg im Schuljahr 2023/2024.

Ziel: Die Belastungs- und Arbeitssituation von Lehrkräften mit Schulleitungsaufgaben auf Basis der Arbeitszeit- und Belastungsstudien in Berlin (Schuljahr 2023/2024) und Hamburg (2. Schulhalbjahr 2023/2024) vertieft zu analysieren. Durch die Zusammenführung und vergleichende Betrachtung beider Datensätze sollte ein umfassendes Bild der aktuellen Arbeitsbedingungen dieser Berufsgruppe gewonnen werden.

Teilnehmende Schulformen:

Hamburg: Stadtteilschule (StS) und Gymnasium (GY)

Berlin: Grundschule (GR), Integrierte Sekundarschule (ISS), Gemeinschaftsschule (GmS), Gymnasium (GY) und Berufsbildende Schule (BbS)

Teilnehmende Schulbeschäftigte: Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben im weiteren Sinne der Schulformen

Aktuelle Projektphase: Das Projekt ist abgeschlossen und die Ergebnisse wurden am 2. Dezember 2025 zusammen mit der Veröffentlichung des Arbeitspapiers vorgestellt. Dies kann im Downloadbereich heruntergeladen werden.

Schulleitungen heute: Überlange Arbeitszeiten, Bürokratie und Personalmangel – wann kippt das Engagement in Erschöpfung?

Schulen in Deutschland stehen vor tiefgreifenden Herausforderungen: wachsende Hetero­genität der Lernenden, Umsetzung der Inklusion, Digitalisierung, steigende gesellschaftliche Erwartungen. Um diese Aufgaben erfolgreich zu meistern, ist eine leistungsfähige, pädagogisch ausgerichtete Schulleitung unverzichtbar. Doch eine in Hamburg und Berlin durchgeführte Studie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen zeigt: Die Realität sieht anders aus, Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben sind oft nicht in der Lage, ihre gestaltende Funktion zu entfalten:

  • Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben leisten durchschnittlich fünf bis sechs Stunden Mehrarbeit – 45% arbeiten in der Schulzeit im Mittel sogar mehr als 48 Std. /Wo. Im Vergleich zu Lehrkräften ohne Leitungsaufgaben sind es zwei bis drei Stunden mehr.
  • Unter anderem wegen eines hohen Anteils an Unterrichtstätigkeiten haben sie zu wenig Zeit für die eigentlichen Schulleitungsaufgaben. Von diesen entfallen aber auch zwei Drittel auf Verwaltung, Organisation und Dokumentation – nicht auf pädagogische Gestaltung oder Personalführung. Für letzteres stehen im Gymnasium z.B. nur dreieinhalb Stunden wöchentlich zur Verfügung!
  • 98% der Befragten erleben als zentrale Herausforderungen das Anwachsen der außer­unterrichtlichen Aufgaben und die fehlende Zeit für die pädagogische Führung.
  • Stress erzeugt vor allem der Umfang der Verwaltungsaufgaben und die fehlende Zeit für die Schulentwicklung. Zudem ist Personalmangel ein zentraler Faktor: Fehlende Sonder­pädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, IT-Fachkräfte, Schulassistenz und geeignete Lehr­kräfte führen zu erheblichem Zusatzaufwand – besonders in Berlin und an Grundschulen.
  • Infrastrukturdefizite (Gebäude, digitale Ausstattung) sind besonders ausgeprägt in Berlin und betreffen vor allem die Grundstufe.
  • Die Folgen von Überlastung und überlangen Arbeitszeiten sind: 66 % arbeiten oft oder sehr oft in hohem Tempo – ein hohes Risiko für chronischen Stress und Burnout.

Zur Gestaltung der Zukunftsaufgaben in der Schule müssen Schulleitungen entlastet und gestärkt werden. Fünf zentrale Maßnahmen bieten sich an:

  1. Stärkung der Schulleitungsfunktionen, mehr Personal & Ressourcen: In der Grundstufe wäre eine breitere Beteiligung an der Schulleitung zu ermöglichen. In großen Schul­systemen empfehlen sich professionelle Verwaltungsleitungen. Kaum eine Schule kann mit den heutigen Schulleitungskapazitäten eine moderne Schulleitung realisieren.
  2. Bürokratieabbau und professionelle Verwaltungsunterstützung
    Bei Verwaltungsaufgaben entlasten– durch bessere Strukturen und mehr Unterstützung seitens der Schulbehörden sowie durch mehr Kapazität für administrative Schulassistenz.
  3. Mehr Handlungsfreiheit
    Lehrkräfte mit Schulleitungsaufgaben wünschen sich mehr Einfluss auf Personalein­stellungen, Budget und Infrastruktur – besonders in Berlin.
  4. Systematische Schulentwicklung mit Ressourcen
    Schulentwicklungsprozesse mit Beteiligung aller Schulparteien sind der Schlüssel für die Bewältigung pädagogischer (z.B. Inklusion, Ganztag) und organisatorischer (z.B. digitales Lehren und Lernen) Herausforderungen. Dazu müssen sie mit Ressourcen hinterlegt sein, zum Beispiel durch Freistellungszeiten für die digitale Schuleinwicklung.
  5. Arbeitszeitdokumentation: Chance oder Risiko?
    85% der Schulleitungen sehen die Arbeitszeitdokumentation als Chance zu mehr Transparenz und Gesundheitsschutz – aber nur, solange Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um Lehrkräfte individuell zu entlasten.

Die gute Nachricht: Trotz enormer Belastungen sind die personellen Voraussetzungen gut

  • 85% der Befragten würden sich erneut für die Schulleitungstätigkeit entscheiden
  • 85% empfehlen ihre Schule als guten Arbeitsplatz
  • 88% sind mit der Unterstützung durch ihr Kollegium zufrieden
  • 97% erleben ein positives, unterstützendes Schulklima
  • 90% haben durch ihre Arbeit wertvolle Dinge erreicht – finden also Erfüllung

Dies zeigt: Das pädagogische Potenzial und das Engagement sind groß. Aber es besteht die akute Gefahr der Überforderung:

  • Erschöpfung und Burnout – aufgrund dauerhafter überlanger Arbeitszeiten
  • Verlust von Engagement – wenn bei all dem Stress der Erfolg ausbleibt
  • Besetzungsprobleme bei Schulleitungen – wenn die Arbeitsbedingungen nicht verbessert werden

Mit einer Stärkung der Schulleitungen und angemessener Mittelausstattung ist eine moderne, inklusive Schule erreichbar, bei der auch die Potenziale des digital unterstützten Lehrens und Lernens realisiert werden können.